„Kanonenfest“ in Rottenburg. 70 Jahre Wiederbeschaffung der Geschützrohre, ein Grund zum Feiern! Die Bewaffnung der Bürgerwache mit zwei Geschützen lässt sich durchgängig bis ins Jahr 1841 zurück verfolgen, auch wenn schon die Chroniken der früheren Zeiten gelegentlich von Kanonensalut zu bestimmten Anlässen berichten. Jedenfalls wurden der Stadt Rottenburg durch Übergabe-Protokoll vom 25.10.1841 aus dem königlichen Arsenal zu Ludwigsburg zwei 3-Pfünder Kanonenrohre nebst Lafetten und Protzen als Geschenk übereignet, wohl als Ersatz für sechs bereits im Jahr 1809 beschlagnahmte Geschütze aus vorderösterreichischer Zeit. Die beiden Geschütze leisteten ihren Dienst just bis zum Jahr 1875, dem Jahr der Neuuniformierung der Bürgerwache. Im März diesen Jahres erlitten die beiden Rohre anlässlich des Salutschießens zum Geburtstag König Karls irreparable Schäden. Am 23.02.1877 teilte das Artillerie-Depot des XIII. (Kgl. Württ.) Armeecorps mit, daß die defekten Rohre im Arsenal zu Ludwigsburg gegen zwei gezogene 4-Pfünder Rohre getauscht werden können. Diese neuen Rohre waren 1866 bzw. 1867 in Douai gegossen worden und waren als Beutestücke aus dem Krieg gegen Frankreich 1870/1871 in württembergischen Besitz gelangt. Die Kanonen wurden auf den Namen „St. Barbara“, die Schutzheilige der Artilleristen und „St. Georg“, den Ritter gegen Tod und Teufel, getauft. Diese französischen Geschützrohre mit dem lorbeerumkränzten „N“ (Napoleon III., Kaiser von Frankreich) auf dem Rohrmantel waren im Einsatz, bis sie am 23.11.1947 von der französischen Besatzungsmacht konfisziert wurden. Während die hölzernen Lafetten und Protzen zurück gekauft werden konnten, blieben die Rohre unwiederbringlich verloren! Schließlich kam der Bürgerwache der Zufall zu Hilfe: ein Rottenburger Kraftfahrer hatte im Juni 1952 auf dem Lagerplatz der Norddeutschen Affinerie in Hamburg mehrere zum Einschmelzen vorgesehene Kanonenrohre entdeckt. Eine Kommission, bestehend aus Bürgermeister Adis, Kommandant Pius Vollmer, Wachtmeister Franz Farger und Kassier Walter Helber, begutachtete den Fund und fand zwei zu den vorhandenen Lafetten passende Rohre. Mit Schreiben vom 26.09.1952 bot die Norddeutsche Affinerie die avisierten Kanonenrohre zum Preis von 2.000 DM zum Kauf an. So gelangte die Bürgerwache zu den Geschützrohren, die am Großen Zapfenstreich vor Fronleichnam 1953 eingesegnet wurden und noch heute im Einsatz sind! Die Rohre wurden vermutlich auf Befehl des Kaisers Minh-Mang, dem zweiten Kaiser der Nguyen-Dynastie, im Jahr 1822 in der vietnamesischen Kaiserstadt Hue als 51. und 56 von 100 Stück aus Messing gegossen. Nun wurden die Geschütze anläßlich des 70-jährigen Jubiläums der Wiederbeschaffung am 16. Oktober 2022 nach einem feierlichen Gottesdienst im Dom von Weihbischof Thomas Maria Renz erneut gesegnet.
Das Jubiläumsfest wurde bereits am Vorabend mit einer Serenade auf dem Marktplatz eröffnet. An der Serenade und/oder dem Gottesdienst mit anschließender Kanonensegnung nahmen als Gäste neben der Bürgerwehr Dietenheim mit ihrem Spielmannszug auch Abordnungen der Garden und Wehren aus Ehingen, Hechingen, Mengen, Munderkingen, Neuhausen, Trochtelfingen und Tübingen sowie von der Fronleichnamsschützenkompanie Hörbranz/Vorarlberg teil. Zum Festprogramm gehörte auch das Schießen zur Tagwache durch die beiden Rottenburger Geschütze sowie ein nachmittäglicher Generalsalut, an dem sich auch Kanonen der Bürgerwache Mengen und der Fronleichnamsgrenadiers Munderkingen beteiligten. In der Festhalle war am Samstag Abend und Sonntag bewirtet, die musikalische Unterhaltung wurde durch das Ensemble RoBlech, den Musikzug der Bürgerwache sowie den Musikverein Wurmlingen bestritten.